Der Trautwein-Roller
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Sind Roller mit zwei gelenkten Vorderrädern
vorstellbar? Wenn es nach den Ideen des Erfinders Wolfgang Trautwein geht,
werden Fahrzeuge dieser Art sogar bald zum normalen Straßenbild gehören.
Der Trautwein-Roller ist ein echter Roller und kein Kleinstauto - nur hat
er eben drei Spuren.
Dr. Wolfgang Trautwein, 53, Ingenieur aus
Meersburg am Bodensee, erhielt Mitte 1984 von Piaggio aus Genua zwei Original-Vespa-Roller,
um die von ihm vorgeschlagenen Prototypen auf Vespa-Basis bauen zu können;
ziemlich genau drei Jahrzehnte, nachdem er zum ersten Mal ein Motorrad
mit seinem Doppelfront-Fahrwerk ausgerüstet hatte.
Unter ihren Fronthauben verbergen die Vespa-Dreiräder
die neueste Variante der Trautweinschen Vorderachse für Motorräder,
eine Parallelogramm-Achse, bei der die Querstreben als Dreieckslenker ausgebildet
sind. Über die Dreieckslenker erfolgt auch die Aufhängung am
Rumpf des Vespa-Rollers. |
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Die schmalen 10-Zoll-Räder werden
von je einem gezogenen Längslenker geführt. Dadurch läßt
sich Radflattern wirkungsvoll vermeiden. Die Federung der einzeln aufgehängten
Räder besorgen zwei Federbeine.
Lenkkommandos gibt der Fahrer, wie beim
Auto, über eine Achsschenkellenkung an die Räder weiter. Die
Achskonstruktion ist so ausgelegt, daß die Räder sich beim Einschlagen
nicht nur drehen, sondern auch neigen. Die markanten Trittbretter des Vespa-Dreirades
sind fest mit der unteren Parallelogrammstrebe verbunden, machen also die
Bewegungen dieser Strebe mit. Beim Überfahren einer einseitigen Bodenwelle
etwa geht das belastete Rad mitsamt dem dazugehörenden Trittbrett
in die Höhe. Gleichzeitig wird das gesamte Fahrzeug angehoben, und
das Trittbrett auf der anderen Fahrzeugseite macht eine entsprechende Abwärtsbewegung.
Bedingt durch die Vorderachskonstruktion
ist es dem Piloten möglich, sich beim Kurvenfahren wie ein Ski-Bob-Fahrer
zu bewegen: Das kurvenäußere Rad grätscht leicht nach unten.
Trautwein betont allerdings, daß die Umgewöhnung auf diesen
veränderten Fahrstil relativ leicht fällt. Und immerhin bietet
das Doppelfront-Fahrwerk nach Aussage von Konstrukteur Wolfgang Trautwein
einige (Sicherheits-) Vorteile:
Verminderte Rutschgefahr vorn auf nassem
Pflaster, Schienen und so weiter
Gefahrloses Bremsen, auch in Kurven Verbesserte
Handlichkeit der Maschine, weil Schräglegen und Aufrichten durch Beindruck
auf die Trittbretter beschleunigt werden können
Ein Doppelfront-Fahrzeug bietet über
der Vorderachse Platz für einen Kofferraum.
Mit weIchem Motorrad läßt es
sich sonst schon driften, bei weIchem kann man im Stand die Füße
auf den Rasten respektive Trittbrettern lassen? Wolfgang Trautweins Vorderachse
macht es möglich. Auch der Komfort konnte durchaus überzeugen. |
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Wenn es trotzdem eher still blieb um Trautweins
Erfindung, liegt das mit Sicherheit auch an der gewöhnungsbedürftigen
Optik, die eine Doppelfront-Achse mit sich bringt. Immerhin hat auch BMW
einmal Interesse an der Konstruktion bekundet, sich aber wegen der Entwicklung
der K-Reihe und der begrenzten Entwicklungs- und Produktionskapazität
schnell zurückgezogen. Die von Piaggio zum Umbau zur Verfügung
gestellten beiden Roller, je eine PK 125 und eine PX 200, bieten über
der Vorderachse einen Kofferraum mit 35 beziehungsweise 40 Liter Inhalt.
Die umgebaute PX 200 hat hydraulische Scheibenbremsen an den Vorderrädern,
die PK 125 wird rundum mit Trommelbremsen verzögert. Das Leergewicht
der beiden Maschinen erhöhte sich durch die zahlreichen Anbauteile
um erstaunlich geringe 15 beziehungsweise 17 (PX 200) kg. Die Attraktivität
der Roller hat unter Trautweins Umbauten nicht gelitten. Sie bieten weiterhin
einen hohen Nutzwert, sind wendig und flink. Wenn sich die Fahrsicherheit
durch die Dreirad-Technik tatsächlich erhöhen würde, wäre
das einem Großteil der vesPa-Kundschatt, die viele Fahranfänger
umfaßt, sicher recht.
Trotzdem kann Piaggio sich noch nicht zu
definitiven Aussagen über konkrete Produktionsplanungen entschließen.
In Genua betont man freilich, das Dreirad-Projekt sei ausschließlich
auf die private Initiative Trautweins zurückzuführen. Bei allem
Interesse, das man seiner Konstruktion entgegenbringe, müsse zunächst
eingehend überprütt werden, ob ein Dreirad-Roller in der aktuellen
Vespa-Modellpalette Platz finden könne. Immerhin haben sich die Italiener
schon mal die Option für eine Lizenznahme gesichert. |
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