Das Auto kommt nach Rußland
Petersburg um 1900 war eine Stadt der Fußgänger und Pferdefuhrwerke. Das Auto hatte seinen Siegeszug noch nicht angetreten. |
Hauptverkehrsmittel in den großen Städten waren die eigenen Füße oder die Straßenbahn - so, wie hier auf dem Nevskij-Prospekt in Petersburg. |
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Die Funktion des Taxis übernahmen im Sommer die Droschken ... |
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Lastentransporte erfolgten mit Fuhrwerken mit der typisch russischen Anspannung, wie sie hier in Kazan zu sehen sind. |
Kurz nach der Jahrhundertwende begann man sich aber auch in Rußland für das neue Transportmittel Automobil zu interessieren. Wie meistens, waren es vor allem reiche, junge Leute, die sich so ein Vehikel anschafften. |
Hier fährt der Gardekavallerie-Leutnant P.P. Rodzianko in seinem neuen Richard-Brassier durch Petersburg. Das Jahr ist 1903. |
Autos gab es aber nicht nur zum Vergnügen. Bereits im Jahr 1901 hatte die Firma Daimler in Petersburg einen Lastwagen vorgeführt. |
Es blieb nicht allein bei dieser Vorführung.
Die Firma G.A. Lessner in Petersburg hat zwischen 1905 und 1909 einige
dieser Wagen unter der Bezeichnung Lutzkoj-Daimler in Lizenz gefertigt.
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1905 lieferte Lessner 13 kleine Autos für das Petersburger Hauptpostamt. Auch die Behörden begannen also, das Automobil zu nutzen. | ![]() |
Auch die Braunschweiger Firma Büssing exportierte LKWs nach Rußland. Diese waren eigens mit dem Firmennamen in kyrillischen Buchstaben versehen worden. |
1907 betrieb der Geschäftsmann Ivanov in Petersburg den ersten Omnibusdienst. Die Marke des Busses ist unbekannt. |
Und es gab auch schon die ersten Unfälle - hier bemüht sich die Petersburger Feuerwehr, ein Auto zu bergen, das in die Mojka gefallen ist. |
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Wenn er auch bei öffentlichten Auftritten meistens zu Pferde saß ... |
... besaß der Hof doch Autos, die auch von der kaiserlichen Familie benutzt wurden. Bei einer Feierlichkeit anläßlich des 300-jährigen Jubiläums des Hauses Romanov in Moskau ist der Zar offenbar im Automobil vorgefahren. |
Unter anderem besaß der Fuhrpark
des Zarenhofes zwei Rolls-Royce, einen gewöhnlichen und diesen hier
für den Winter, der mit einem Halbkettenantrieb des Systems Kegresse
(siehe: Keine Straße - kein Problem)
und Schneekufen ausgestattet ist.
Die Bildunterschrift lautet: 1917. Tage der Revolution. Schlitten-Automobil des ehem. Zaren Nikolaj II. Nach der Oktoberrevolution wurden beide Wagen von Lenin benutzt, das Schlitten-Auto stand dann in Lenins Landsitz Gorki, auf jeden Fall bis zum Untergang der Sowjetunion. |
Die Armee ging fast ausschließlich zu Fuß oder war beritten - nur höchste Offiziere benutzten ein Auto. |
Mit dem 1. Weltkrieg kamen Rüstungsgüter der Alliierten nach Rußland. Dazu gehörten diese mit Maschinengewehren bewaffneten Panzerautos aus Frankreich. Hersteller war wohl hauptsächlich Renault. |
Die in Petersburg stationierten Panzerwagen-Einheiten schlugen sich 1917 auf die Seite der Bolschewisten. |
Einem dieser volkstümlich "bronevik"
genannten Autos wurde sogar ein Denkmal gesetzt. Vor dem Finnischen Bahnhof
in Petersburg steht dieses Lenindenkmal. Es erinnert an die Rückkehr
Lenins aus dem finnischen Exil.
Der Sockel stellt den stilisierten Turm eines Panzerwagens dar, auf den Lenin kletterte, um eine Rede zu halten. Das Auto selbst ist erhalten geblieben und wurde lange Zeit im Hof des Marmorpalais gezeigt. |
Die Revolutionäre scheinen überhaupt den Wert des Autos geschätzt zu haben - hier sehen wir eine für die damalige Zeit beachtliche Autoauffahrt vor dem Smolnyj-Institut in Petersburg, dem Hauptquartier der Bolschewisten. |
Ein Russo-Balt-Wagen dient als provisorische Kampfmaschine bei den revolutionären Straßenkämpfen - allerdings so dekorativ, daß es sich möglicherweise um eine gestellte Aufnahme handelt. |
Die Wagen scheinen aber nicht ausschließlich revolutionären Zwecken gedient haben .. die Karikatur zeigt die neuen Herren, die in requirierten Autos mit ihren "Damen" unterwegs sind. |
Auch nach der Aufnahme einer eigenen Automobilproduktion
in der UdSSR ging die Motorisierung nur langsam voran. Dieses Photo des
Puschkinplatzes in Moskau aus den 30er Jahren zeigt vor allem Straßenbahnen
und Fußgänger, ein paar Busse und LKWs und einige Personenwagen.
Die Fußgänger können aber noch allen Stellen die Straße überqueren, ohne Angst haben zu müssen, daß man sie überfährt. |
Und die Milizionärin auf dem Krestschatik in Kiev muß sich zu eben dieser Zeit bei drei Autos auf einmal noch nicht überarbeiten. |
Das Auto war in dieser Zeit in Rußland ohnehin vor allem ein Verkehrsmittel für die Stadt. Der Überlandverkehr wurde im wesentlichen von der Eisenbahn bewältigt. |
Wie man sieht, wäre manche sowjetische Landstraße auch nur sehr bedingt für den Autoverkehr geeignet gewesen. Hier boten sich - vor allem im Winter und im Frühjahr - dann doch eher Fuhrwerk und Schlitten als Verkehrsmittel an. |
Mit einem Wort - die Sowjetunion war bis zum 2. Weltkrieg ein untermotorisiertes Land. Das waren alle anderen Länder, mit Ausnahme der USA und vielleicht Englands und Frankreichs auch. In der UdSSR wurde die Situation aber noch dadurch verschärft, daß vor allem Behörden, Armee und Partei motorisiert wurden, der Privatbesitz von Autos aber nahezu undenkbar blieb. Der Privatbesitz eines Autos wäre "kapitalistisch" gewesen ... |
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